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Buddhas Licht strahlt noch heller

01.07.2012
Der Ehrwürdige Meister Hsing Yun (rechts) inspiziert die Bauarbeiten am BMC. Als Gründer von Fo Guang Shan war Hsing Yun außerdem die Schlüsselfigur hinter der Planung von BMC. (Foto mit freundlicher Genehmigung von Fo Guang Shan)
Für Buddhisten und im einheimischen Fremdenverkehr tätige Personen war die Gründung des Buddha-Gedächtniszentrums (Buddha Memorial Center, BMC) in Südtaiwan am 25. Dezember 2011 eindeutig ein großes Ereignis. Die Eröffnungsfeierlichkeiten für das von der buddhistischen Gruppe Fo Guang Shan errichtete neue kulturelle Wahrzeichen in Kaohsiung währten acht Tage und gingen am 1. Januar dieses Jahres — dem achten Tag des letzten Monats im traditionellen Mondkalender — zu Ende, und es fanden sich bedeutende politische Führungspersönlichkeiten der Republik China dazu ein. Der erste Tag im neuen Jahr fiel mit dem Jahrestag zusammen, an dem nach der Überzeugung von vielen Gläubigen Siddhartha Gautama, der religiöse Lehrer und Gründer des Buddhismus, Erleuchtung erlangte. Nach den Worten des Ehrwürdigen Meisters Hsing Yun (星雲法師), der 1967 Fo Guang Shan gegründet hatte, hebt das Zentrum auch das 100-jährige Bestehen der Republik China hervor und soll vor allem Taiwans Profil in der Weltgemeinschaft schärfen. „Taiwan ist sehr klein, doch Buddha ist groß, und seine Anhänger sind über den gesamten Erdball verstreut“, betont der 86-jährige Meister. „Ich hoffe, dass die Welt durch dieses Zentrum ein tieferes Verständnis von Taiwan gewinnen kann.“

Von seiner Lage mit Blick auf den Kaoping-Fluss kann man das BMC allein wegen seiner weitläufigen Größe unmöglich übersehen. Auf einem Gelände mit 100 Hektar ist das Zentrum ebenso groß wie das benachbarte Fo Guang Shan-Kloster, ein Komplex, der seit langem große Anziehungskraft in Südtaiwan besitzt. Schon die Haupt-Buddhastatue des Zentrums ist imposant. Mit einer Höhe von 108 Metern einschließlich Podest ist es die höchste Bronze-Buddhastatue mit sitzender Positur der Welt.

Eine winzige, kostbare Reliquie

Im Kontrast dazu beherbergt die Gedächtnishalle vor der Statue des sitzenden Buddha einen winzigen, aber unschätzbaren Zahn von Buddha, der sich in einem Reliquienbehälter im Jadebuddhaschrein befindet. Tatsächlich bildete die religiöse Reliquie den Dreh- und Angelpunkt der Gründung von BMC, wofür die vorbereitenden Arbeiten im Februar 1998 begonnen hatten. Damals reiste Hsing Yun nach Bodh Gaya im Nordosten Indiens und predigte an diesem für Buddhisten heiligen Ort, wo Siddhartha Gautama vor rund 2600 Jahren als 35-Jähriger Erleuchtung erlangte. Während seiner Reise traf sich Hsing Yun mit Kunga Dorje Rinpoche, einem betagten tibetischen Lama, der Hsing Yun den Buddhazahn anvertraute, der fast 30 Jahre in seiner Obhut gewesen war. Zwei Monate später flog eine Gruppe von über 200 Personen aus Taiwan, darunter Buddhisten und Mitglieder der gesellschaftlichen Elite, nach Bangkok, um den Zahn während einer Zwischenlandung auf dem Weg nach Taiwan zu begrüßen. Die Ankunft der Reliquie in Taipeh am 9. April jenes Jahres wurde zur Mediensensation. Acht Monate lang wurde der Zahn in Taiwans Hauptstadt öffentlich zur Schau gestellt und zog Hunderttausende von Gläubigen an, bevor man ihn im Dezember zum Fo Guang Shan-Kloster in Kaohsiung schickte.

Die Architektur von BMC enthält Merkmale aus Indien und China, also den beiden Ländern, die bei der Entwicklung des Buddhismus eine maßgebliche Rolle spielten. (Foto: Huang Chung-hsin)

Zur gleichen Zeit begann die buddhistische Gruppe, sich in Taiwan nach einem geeigneten Standort zum Bau einer dauerhaften Heimstatt für die Reliquie umzuschauen. Fo Guang Shan, eine der einflussreichsten buddhistischen Gruppen Taiwans, hatte in der Vergangenheit bereits Organisationen in verschiedenen Sektoren entwickelt, darunter Hochschulen und eine Fernsehanstalt, und beschloss im Jahr 2001, das BMC neben ihrem Kloster in Kaohsiung zu errichten. 2003 begannen die Bauarbeiten.

Nach Auskunft der Ehrwürdigen Meisterin Tzu Hui (慈惠法師), der geschäftsführenden Assistentin von Hsing Yun, erhielten die Bemühungen zum Bau von BMC administrative Schützenhilfe von Yang Chiu-hsing (楊秋興), dem damaligen Vorsteher des Landkreises Kaohsiung (2010 mit der regierungsunmittelbaren Stadt Kaohsiung vereinigt), wo das Kloster sich befindet. „Die Kreisverwaltung strebte danach, ortstypische Besonderheit mit religiöser Vielfalt an einem Ort zu vermarkten, wo wichtige Stätten verschiedener Glaubensrichtungen zu Hause sind“, kolportiert Tzu Hui und ergänzt, Yang sei ein gläubiger Buddhist.

Während der Planungs- und Bauphase wurden die Entwürfe für die Gedächtnishalle über 100 Mal überarbeitet. „Das grundlegende Designkonzept für das Zentrum stammt von Meister Hsing Yun höchstpersönlich“, verrät Tzu Hui. „Die Architekten waren in erster Linie zuständig dafür, die strukturelle Durchführbarkeit und Sicherheit des Gebäudes zu bewerten. Hsing Yun ist ein Fachmann für Architektur, der durch praktische Erfahrung dazulernt.“ Da Hsing Yun Planung und Bau der vielen Klostergebäude und Galerien von Fo Guang Shan in Taiwan und im Ausland beaufsichtigt hatte, wurde er mit diesem Beruf vertraut, erläutert die Ehrwürdige Meisterin Ju Chang (如常法師), die für die Einrichtung von Ausstellungsflächen im BMC zuständig ist.

Andererseits erwies es sich als herausfordernd, mit den beauftragten Designern zu kommunizieren, um Hsing Yuns Konzepte in die Tat umzusetzen. „Sie hatten wenig Ahnung von buddhistischen Traditionen und buddhistischer Ästhetik, und oft fehlten ihnen Ideen, wie man beispielsweise buddhistische Symbole an einer bestimmten Stelle oder Position integrieren sollte“, moniert Ju Chang, die an der Fo Guang University im nordtaiwanischen Landkreis Yilan einen Magister in visueller Kunst gemacht hatte. „Sie neigten zu der Denkweise, mit der man kommerzielle Räume entwirft, und sie wollten für die Innenräume etwas in der Art eines Fünfsterne-Hotels gestalten.“ Entsprechend mussten Klostervertreter zuweilen vorführen, was bei bestimmten Feierlichkeiten vor sich geht, um für getreue Exponate in einem Museum des BMC zu sorgen, oder man lud die Designer einfach zum Anschauen der Rituale ein, wenn sie stattfanden. „Die Kommunikation mit ihnen erforderte mehr Zeit als die Gestaltung und Ausführung der Pläne selbst“, wundert sich Ju Chang, die ihre damalige Rolle als Brücke zwischen Hsing Yun und den Designern betrachtet.

Eine Buddhafigur aus Jade, die dem Zentrum vom ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore gestiftet wurde. (Foto mit freundlicher Genehmigung von Fo Guang Shan)

Ein lebendes Buch über Buddhismus

Nach achtjähriger Arbeit wurde das BMC endlich der Öffentlichkeit übergeben, und während der neuntägigen Ferien zum Neujahrsfest gemäß dem Mondkalender Ende Januar lockte es schätzungsweise eine Million Touristen an. „Der Besuch in dem Zentrum ist gleichwertig mit der Lektüre eines Buches über den Buddhismus und seine Entwicklung“, behauptet die Ehrwürdige Meisterin Miao Kai (妙開法師), Präsidentin von Merit Times, der von Fo Guang Shan herausgegebenen Tageszeitung, im Hinblick auf das Potenzial von BMC, die Besucher zu bilden.

Merkmale wie die Architektur und die Anordnung des Zentrums illustrieren Miao Kais Kommentar. Die Gedächtnishalle im indischen Stil vor der großen Buddha-Statue zum Beispiel deutet den geografischen Ursprung des Buddhismus auf dem Subkontinent an. Die vier Türme der Stätte, die Gottheiten geweiht sind, welche Mitgefühl, Weisheit, Gelübde und Praxis verkörpern, entsprechen in ihrer Art Jenen, die man an der heiligen buddhistischen Stätte von Bodh Gaya vorfindet. An der Halle beginnt der Große Pfad zum Buddhatum, eine breite Straße, zu deren beiden Seiten je vier siebenstöckige Pagoden emporragen, welche an die Architektur der Tang-Dynastie (618-907) erinnern, während welcher der Buddhismus auf dem chinesischen Festland seine höchste Blüte erlangte. Etwas weiter weg am Eingang zur Anlage enthält ein Gebäude moderne Geschäfte, die quasi eine Art „Chronik“ vom altertümlichen Indien bis heute formen. Einer dieser Läden ist eine rund um die Uhr geöffnete Filiale der Kleinsupermarktkette 7-Eleven, die einzige in Taiwan, wo im Einklang mit den vegetarischen Prinzipien von Fo Guang Shan keine fleischhaltigen Speisen im Sortiment sind.

An einer Seite des BMC verläuft ein begrünter Hang, ähnlich dem Vulture Peak Mountain in Indien, wo Buddha die Lotus-Sutra predigte und viele seiner Schüler in kleinen Höhlen meditierten. Entsprechend werden in den Hang Hunderte von Löchern gegraben, wo man Räume bauen wird, in denen jeweils eine Person meditieren und übernachten kann.

Verglichen mit dem benachbarten Fo Guang Shan-Kloster, das sich über 40 Jahre entwickelt hat, ist das BMC ein auffälligerer Blickfang, zum Teil weil das Design des gesamten Komplexes vor Baubeginn vollendet wurde. „Der ausgedehnte Raum ist großartig und die Strukturen imposant“, lobte der emeritierte Journalismus-Professor Lee Chan während seines Besuches am BMC im Januar. „Als Ganzes ist der Ort gleichermaßen eindrucksvoll. All dies verleiht der Stätte ein erhabenes Gefühl.“

Im August 2011 fand im BMC eine große Versammlung statt, bei der für Taiwan und den Weltfrieden gebetet wurde. (Foto mit freundlicher Genehmigung von Fo Guang Shan)

Unterdessen führen die Sammlungen und Ausstellungen in der Gedächtnishalle die Besucher näher an die Religion heran. Das Museum für buddhistische Feste stellt zum Beispiel Rituale und Feierlichkeiten zu Buddhas Geburtstag und zum Dharma-Tag (anlässlich dem Beginn von Buddhas Lehrtätigkeit) mit interaktiver Technologie und anderen Mitteln vor. Es gibt daneben einen Saal über das Leben des Buddha mit Geschichten über die wesentlichen Abschnitte im Leben des Religionsstifters. Ein so genanntes „vierdimensionales“ Theater sollten die Besucher keinesfalls versäumen, denn dort wird ein kurzer 3D-Film gezeigt, an dessen Schluss „echte“ Lindenblätter herabfallen, als Buddha das Zeitliche segnet und ins Parinirvana eingeht.

Die Unvergleichlichkeit des Zentrums beruht auch im künstlerischen Wert seiner Sammlung. In der Halle für die Göttin der Barmherzigkeit soll der kreisförmige Raum das Gefühl eines Kosmos mit sich gegenseitig durchdringenden Sphären erzeugen, wie er in der Avatamsaka-Sutra (oder Blumengirlanden-Sutra) beschrieben wird. Die Halle enthält eine von der taiwanischen Bildhauerin Yang Hui-shang (楊惠姍) geschaffene Skulptur der Gottheit, und 33 Bilder auf Grundlage von Gouache-Gemälden der Göttin vom taiwanischen Künstler Shi Jin-hui (施金輝) sind auf Glasflächen eingraviert. Ein angrenzender Raum präsentiert 134 buddhistische Kunstgegenstände, gespendet vom Unternehmer Chen Yung-tai, dem Präsidenten der taiwanischen Aurora-Gruppe, der für seine umfangreiche Sammlung solcher Objekte bekannt ist. Das BMC ist überdies in Südtaiwan eine wichtige Kunststätte für nicht-buddhistische Arbeiten geworden, zwei Galerien stellen solche Werke aus. Eine der Eröffnungsveranstaltungen des Zentrums war eine Ausstellung mit Goldskulpturen von Wu Ching (吳卿).

In den 48 Räumen direkt unter der Gedächtnishalle werden Gegenstände gesammelt, die für zukünftige Generationen bestimmt sind. Die BMC-Mitarbeiter planen, im Laufe der kommenden fünf Jahre die unterirdischen Zimmer mit einer großen Auswahl zeitgenössischer Artikel zu füllen, von Alltagsgegenständen bis zu Dingen mit historischer Bedeutung, so dass 48 „Zeitkapseln“ entstehen. Die Kollektion umfasst bereits Buddha-Statuen, industrielle Produkte und sogar einen vom taiwanischen Sportler Wang Chien-ming (王建民) signierten Baseball. Fo Guang Shan hat vor, alle 100 Jahre einen der unterirdischen Räume fürs Publikum zu öffnen, was bedeutet, dass der letzte Raum für 4800 Jahre versiegelt bleiben wird.

Nach den Worten der Ehrwürdigen Meisterin Tzu Jung (慈容法師), Generalsekretärin der Weltzentrale der Organisation in Los Angeles (USA), wird für die Besichtigung der Museen und Galerien von BMC kein Eintrittsgeld erhoben. „Die Bildung der Öffentlichkeit ist die große Aufgabe von Fo Guang Shan“, verkündet sie.

Der Jadebuddhaschrein. Buddhas Zahn befindet sich in einem Reliquienbehälter oberhalb der liegenden Buddhastatue, die wiederum aus Jade aus Myanmar geschnitzt wurde. (Foto mit freundlicher Genehmigung von Fo Guang Shan)

Glauben im täglichen Leben

In Einklang mit dem humanistischen Buddhismus, wie er von Hsing Yun praktiziert wird, verfolgt die Gruppe außerdem die Aufgabe, den Glauben ins tägliche Leben zu integrieren. Zum Beispiel fand anlässlich der Eröffnung des Zentrums eine Gruppenhochzeitszeremonie im buddhistischen Stil mit über 200 Paaren auf dem Gelände statt. Ein von Fo Guang Shan-Anhängern betriebenes Hochzeitsunternehmen hat mittlerweile im Erdgeschoss einer der chinesischen Pagoden den Betrieb aufgenommen, um solche Ereignisse für einzelne Paare zu organisieren.

Andere pädagogische Elemente sind die Lebensschutz-Wandreliefs des Zentrums, eine Reihe von 86 Flachreliefs auf den Mauern um das Gelände. Auf der Grundlage von Zeichnungen des Cartoonisten Feng Zikai (豐子愷, 1898-1975) aus der festlandchinesischen Provinz Zhejiang heben die Reliefs das buddhistische Tötungsverbot hervor, indem die Schmerzen geschlachteter Tiere sowie die Freude und Harmonie in einer Welt ohne Töten dargestellt werden. Die Worte des buddhistischen Meisters Hong Yi (弘一法師, 1880–1942), Fengs Mentor bei Kunst, stehen neben den Bildern, um die Botschaft noch klarer zu übermitteln.

„Das BMC eignet sich zudem für große öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel“, bemerkt Tzu Jung, die dafür zuständig ist, die meisten größeren Veranstaltungen von Fo Guang Shan zu organisieren. Mit einem großen Platz, der bis zu 100 000 Personen fassen kann, wurde die Stätte bereits im August 2011 vor ihrer offiziellen Einweihung im Dezember als Schauplatz einer großen Versammlung genutzt, bei der Anhänger verschiedener Religionen für Taiwan und den Weltfrieden beteten.

Ausgehend von einem winzigen Buddhazahn entwickelt sich die Geschichte des BMC weiter, und so wird „Fo Guang“ (佛光), also Buddhas Licht, im südlichen Taiwan und darüber hinaus noch heller leuchten.

(Deutsch von Tilman Aretz)

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